Montag, 27. Oktober 2008

Mit der Glasknochenkrankheit leben

Evelyn Brezina
Zerbrichmeinnicht und Löwenzahn
- eine Autobiografie

novum Verlag 2008, 144 S., Farbabbildungen, ISBN: 978-3-85022-301-0, € 17,90
„Zerbrichmeinnicht und Löwenzahn“ erzählt von meinem Lebensweg, der eines Abends durch einen Sturz eine radikale Kursänderung erfuhr. Ein gebrochener Oberschenkel kündigte an, was sich später als „Osteogenesis Imperfecta – die Glasknochenkrankheit“ herausstellen sollte. Nach zahlreichen Knochenbrüchen bekam ich mit 8 Jahren meinen ersten Rollstuhl, besuchte die Volksschule und schloss die AHS mit Matura ab. Während meiner Berufstätigkeit beim Wiener Roten Kreuz verschlechterte sich mein Zustand massiv, sodass ich mit 26 Jahren in Pension gehen musste. Meine Autobiografie soll helfen, Barrieren zwischen „Gesunden“ und „Behinderten“ abzubauen.
Leseprobe: Die Allee
Es war ein warmer Sommertag, an dem ich, mein luftiges Kleidchen um die Beine wippend, artig neben dem Kinderwagen herging, in dem mein Brüderchen selig schlief.
Plötzlich, nach einer Biegung, erstreckte sich eine Allee vor mir.
Gesäumt von uralten Kastanienbäumen, lag sie da, bereit, im Laufschritt erobert zu werden. Die Ermahnung meiner Mutter, nicht zu weit vorauszulaufen, ließ ich hinter mir zurück. Meine Augen waren auf ein fernes Ziel gerichtet, den Punkt, an dem sich die Baumkronen zärtlich berührten.
Meine Beine übernahmen die Kontrolle, sie liefen wie von selbst.
Mein Herz klopfte unbändig in meiner kleinen Brust.
Ich lief,
lief immer schneller,
rannte mit mir selbst um die Wette.
Jeder Anflug von Müdigkeit trieb mich noch stärker an.
Mir schien, als könne ich fliegen.
Vorbei an Gesichtern fremder Menschen,
die mir lächelnd entgegenkamen,
vorbei an Bäumen und Sträuchern,
die ich in meiner Eile nicht zu zählen vermochte.
Ich lief der Zukunft davon, der Abhängigkeit,
der Sehnsucht nach Freiheit, die schon bald meine ständigen Begleiter werden sollten.
Mein kleines, fünfjähriges Ich lief an jenem herrlichen Sommertag einfach seine Allee entlang, an deren Ende es erschöpft, aber überglücklich
stehen blieb ... Hier bitte weiterlesen

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