Das Geschenk der drei Könige - Spanische Weihnachtsgeschichten
Manesse Verlag. Aus dem Spanischen von Erna Brandenberger, geb., Ppb., 96 S., ISBN: 978-3-7175-4067-0, € 9,90 [D], € 10,20 [A], CHF 18,90
Zauberhafte Weihnachtsgeschichten von der Grande Dame der spanischen Literatur. Emilia Pardo Bazán (1851–1921), berühmt für ihre großen naturalistischen Romane, ließ sich immer wieder neu vom Zauber der Heiligen Nacht inspirieren. Ihre überaus beliebten Weihnachtsgeschichten erzählen davon, wie harte Herzen weich und Kinderwünsche wahr werden – und von drei Königen, die sich aufmachen, einem Stern zu folgen.
Leseprobe (Auszug): " ... Von den drei Königen aus dem Morgenland - sie werden auch Magier genannt - war der alte Balthasar der weiseste. In seinem Palast, dessen hohe Dächer mächtige Zedernbalken abstützten und den starke Granitmauern und ein ausgesuchter Trupp Soldaten aus den edelsten Familien schützten, hatte er sich zuoberst in einem runden Turm eine Art Observatorium eingerichtet. Dort schloß er sich immer wieder ein, befragte in aller Ruhe die Sternbilder und füllte mit rätselhaften Zeichen eines unbekannten Alphabets wunderbar gegerbte, weiche Pergamentblätter, die ihm sorgfältig aufgerollt in großer Zahl gebracht wurden. Die Wände entlang reihten sich rund um den Raum kostbare Holzgestelle aneinander, wo er Wachstäfelchen aufbewahrte, die alle mit einem Gewirr feiner, mit spitzem Metallstift eingeritzter Linien bedeckt waren ...
König Kaspar hingegen beschäftigte sich nicht mit dem Himmel, sondern setzte seine magischen Kräfte zur Eroberung und Beherrschung der Erde ein. Wenn er an der Spitze eines Kriegsheeres in Feindesland einfiel, war er gut gewappnet mit Voraussagungen und Horoskopen. Alle glaubten, Kaspar besitze seherische Begabung und könne sich unmittelbar mit der verborgenen Macht verständigen, die im zufälligen Verlauf der Ereignisse den Sieg gewährt, und sie folgten ihm blindlings und ohne jegliche Furcht. Wer ihn sah, wie er als Anführer in den besten Mannesjahren sein Streitroß in der hitzigen Schlacht mit vertrauensvollem Lächeln sicher durch Pfeilhagel und Staubwolken lenkte, sagte jedesmal wieder, daß wohl ein Zauber ihn unverwundbar machte ...
Der dritte König, Melchior, herrschte über die Äthiopier, das älteste Volk der Erde. Er war jung, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, sein Herz und alle seine Sinne brannten lichterloh. Sein schwarzer Leib glänzte wie eine kostbare Bronzestatue, er war schlank, und trotz seiner kräftigen Muskeln bewegte er sich mit eleganter Geschmeidigkeit. Seine reichen Schätze an Gold, Perlen, Straußenfedern und köstlichen Ölen kauften ihm Händler und Karawanenführer ab und vermittelten ihm dafür weiße Sklavinnen aus den veschiedensten Ländern. Zitternd vor Angst, tieftraurig oder schicksalsergeben betraten sie den Palast, den ihnen Melchior eingerichtet hatte: in makelloser Schönheit die Töchter des Kaukasus mit den schmalen Augen; die Griechinnen mit ihrer Kunst, anmutige Verse zur Laute zu singen; die Perserinnen in einer Wolke von betörendem Rosenduft; die Andalusierinnen mit ihren wollüstigen Tänzen; die schwarz verschleierten Phönizierinnen; die Hebräerinnen mit den edlen Gesichtszügen; schließlich die stolzen Römerinnen, die nicht selten ihre Tuniken zerrissen und sich erhängten, um so der Versklavung und den Liebkosungen des Barbarenkönigs zu entgehen ... " Zur Leseprobe (pdf)
Manesse Verlag. Aus dem Spanischen von Erna Brandenberger, geb., Ppb., 96 S., ISBN: 978-3-7175-4067-0, € 9,90 [D], € 10,20 [A], CHF 18,90
Zauberhafte Weihnachtsgeschichten von der Grande Dame der spanischen Literatur. Emilia Pardo Bazán (1851–1921), berühmt für ihre großen naturalistischen Romane, ließ sich immer wieder neu vom Zauber der Heiligen Nacht inspirieren. Ihre überaus beliebten Weihnachtsgeschichten erzählen davon, wie harte Herzen weich und Kinderwünsche wahr werden – und von drei Königen, die sich aufmachen, einem Stern zu folgen.
Leseprobe (Auszug): " ... Von den drei Königen aus dem Morgenland - sie werden auch Magier genannt - war der alte Balthasar der weiseste. In seinem Palast, dessen hohe Dächer mächtige Zedernbalken abstützten und den starke Granitmauern und ein ausgesuchter Trupp Soldaten aus den edelsten Familien schützten, hatte er sich zuoberst in einem runden Turm eine Art Observatorium eingerichtet. Dort schloß er sich immer wieder ein, befragte in aller Ruhe die Sternbilder und füllte mit rätselhaften Zeichen eines unbekannten Alphabets wunderbar gegerbte, weiche Pergamentblätter, die ihm sorgfältig aufgerollt in großer Zahl gebracht wurden. Die Wände entlang reihten sich rund um den Raum kostbare Holzgestelle aneinander, wo er Wachstäfelchen aufbewahrte, die alle mit einem Gewirr feiner, mit spitzem Metallstift eingeritzter Linien bedeckt waren ...
König Kaspar hingegen beschäftigte sich nicht mit dem Himmel, sondern setzte seine magischen Kräfte zur Eroberung und Beherrschung der Erde ein. Wenn er an der Spitze eines Kriegsheeres in Feindesland einfiel, war er gut gewappnet mit Voraussagungen und Horoskopen. Alle glaubten, Kaspar besitze seherische Begabung und könne sich unmittelbar mit der verborgenen Macht verständigen, die im zufälligen Verlauf der Ereignisse den Sieg gewährt, und sie folgten ihm blindlings und ohne jegliche Furcht. Wer ihn sah, wie er als Anführer in den besten Mannesjahren sein Streitroß in der hitzigen Schlacht mit vertrauensvollem Lächeln sicher durch Pfeilhagel und Staubwolken lenkte, sagte jedesmal wieder, daß wohl ein Zauber ihn unverwundbar machte ...
Der dritte König, Melchior, herrschte über die Äthiopier, das älteste Volk der Erde. Er war jung, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, sein Herz und alle seine Sinne brannten lichterloh. Sein schwarzer Leib glänzte wie eine kostbare Bronzestatue, er war schlank, und trotz seiner kräftigen Muskeln bewegte er sich mit eleganter Geschmeidigkeit. Seine reichen Schätze an Gold, Perlen, Straußenfedern und köstlichen Ölen kauften ihm Händler und Karawanenführer ab und vermittelten ihm dafür weiße Sklavinnen aus den veschiedensten Ländern. Zitternd vor Angst, tieftraurig oder schicksalsergeben betraten sie den Palast, den ihnen Melchior eingerichtet hatte: in makelloser Schönheit die Töchter des Kaukasus mit den schmalen Augen; die Griechinnen mit ihrer Kunst, anmutige Verse zur Laute zu singen; die Perserinnen in einer Wolke von betörendem Rosenduft; die Andalusierinnen mit ihren wollüstigen Tänzen; die schwarz verschleierten Phönizierinnen; die Hebräerinnen mit den edlen Gesichtszügen; schließlich die stolzen Römerinnen, die nicht selten ihre Tuniken zerrissen und sich erhängten, um so der Versklavung und den Liebkosungen des Barbarenkönigs zu entgehen ... " Zur Leseprobe (pdf)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen