Dienstag, 8. Dezember 2009

Der Märchenerzähler Rudolf Geiger

Rudolf Geiger
»… vergnügt bis an ihr Ende …« Ein Leben mit Märchen – Erfahrungen und Einsichten
160 S., Klappenbroschur, ISBN 3-932386-68-X, EUR 17,80 (D), 18,50 (A), sFr 30,60
»Also erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.« Diese Märchenworte möchte man im Gedenken an den großen Märchenerzähler Rudolf Geiger (1908-1999) aussprechen. Es kann als sein Vermächtnis gelten, was er hier niedergeschrieben hat an Wort gewordenen Erfahrungen, leisen Wegweisungen und Anregungshilfen. Sie wollen nicht einer Verbreitung des Märchens dienen, sondern seiner Vertiefung. Der Autor sucht dem Wesen des Märchens auf den Grund zu gehen, fragt nach dem Gehalt, nach den Wahrbildern, sucht die darin verborgenen Geheimnisse zu entschlüsseln, die »Grausamkeiten« zu deuten, die selbst aus heutigem Sprachgebrauch verständlich werden können, aber auch im Zusammenhang gesehen werden müssen mit wohlverdienter Strafe, Gnade und nicht zuletzt wundersamer Verwandlungskraft.
Ein besonderes Anliegen ist Geiger der »Biss« der Sprache in den Grimmschen Märchen. Gerade an Reaktionen von Kindern wird deutlich, wie sie die kernige Märchensprache lieben, wie sie ihre Freude daran haben, wie sie sich darin wohlfühlen, wenn sie mit spontanem Entzücken beim Zuhören Wörter wiederhohlen wie »Bricklebrit« oder »Hunkepuus«. Seine geschilderten Erlebnisse mit kleinen, aber auch erwachsenen Zuhörern vermitteln einen Eindruck von der Stimmung, die in seinen Märchenstunden geweckt wurde.
Der große Erzähler wusste: Beim Märchenerzählen, so es denn lebendig gestaltet wird, lebt der Zuhörer mit, was die Märchenhelden zu erleiden oder zu überwinden haben, auch, wo sie versagen oder neu beginnen müssen. Für ihn persönlich waren die Märchen ein Lebenselement, das ihn durch neun Jahrzehnte intensiv begleitet hat. Als Erzähler hat er an sich selbst erfahren, dass sie ein sich immer erneuernder, unausschöpflicher Schatz sein können, vor allem, wenn man sich tief in die Märchensprache einlebt. Durch sein Erzählen wollte er in seinen Zuhörern die Lust erwecken, selbst in das Märchen einzutauchen. Das will sagen: Seht, was da alles verborgen liegt, habt ihr das gewusst? Das ist auch ein Anliegen dieses Buches.

Inhalt
Vom Wesen des Märchens: Versuch einer Annäherung in Fragmenten - Darf man Märchen verändern? - Die Worttreue der Alten - Von der weissagenden Frau zur Erzzauberin – Warum schweigen die Väter? - Seitenblick auf die Wissenschaft - Vom lebendigen Wort in alter und neuer Zeit
Zum Erzählen der Märchen: Jeder kann erzählen! Kann es wirklich jeder? - Gibt es ein Entdeckerrecht im Märchen? - Vom Titel der Märchen - Grenzen der Aneignung – Mundart-Märchen - Vom Drum und Dran - Von den Versen im Märchen und vom sprachlichen Biss - Der Erzähler und sein Märchen - Erfahrungen beim Erzählen: »Der Eisenofen« – und die Sprache der »Viehmännen«
Angstschwellen im Märchen: Zur Grausamkeit im Märchen - Wer hat Angst – das Kind - der die Mutter? - Von Strafe und Vergeltung - »Ich will Gnade ergehen lassen« - Tiere im menschlichen Charakter
Märchenwirkungen – unterwegs notiert: Echo der Hörer
• Religiöse Wahrheiten im Märchen • Unerwartete Klippen • Gibt es Zwerge und Elfen? • Blinden Kindern erzählen • Das eine Märchen immer wieder • Die schöne Sprache • Die Erstfassung • Stimmen zum Auswendiglernen von Märchen
Anhang
Nachtrag zur Ur-Natur des Erzählens: • Die Brüder Schlegel im Wettstreit • Elias Canetti in Marrakesch • Wie soll man Geschichten erzählen? • Ein irischer Erzähler • Der alte Cazaux aus der Gascogne
Stimmen, die mich begleiteten: • Sören Kierkegaard: Mensch und Sprache • Friedrich Wilhelm Schelling: Zur Interpretation • Jean Paul: Kind und Verstehen der Sprache • Johann Wolfgang Goethe: Zum Märchenverständnis • Pestalozzi: Die Schale zu früh zerschlagen • Ukrainisches Sprichwort • Seneca • Marie von Ebner-Eschenbach: Zirlipinzigen • Der griechische Erzähler Yoany endete immer mit den Worten • Egon Friedell: Zu den Brüdern Grimm • Maurice Sendak: Zu den Brüdern Grimm • George Bernhard Shaw
• Das Wort eines Kindes
Rudolf Geiger – Lebenslauf Jürgen Janning - Werke von Rudolf Geiger

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